Selbst bösartige Erkrankungen der Schilddrüse können durch eine rechtzeitige und fachgerechte Operation in den meisten Fällen geheilt werden.

Die Schilddrüse gehört zu den hormonbildenden, endokrinen Drüsen. Eine Reihenuntersuchung bei über 70.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren hat gezeigt, dass sich bei jedem vierten Knoten in der Schilddrüse entwickeln. Frauen sind vier Mal häufiger betroffen als Männer. „Die meisten Patienten spüren allerdings nichts von dieser Veränderung in ihrem Hals. Die Knoten werden häufig bei einer Routine-Ultraschallkontrolle diagnostiziert. Und es muss natürlich nicht jeder Knoten operiert werden“, erläutert Dr. med. Jochen Schabram, Chefarzt der Klinik für Endokrine Chirurgie in der Asklepios Klinik Lich und Mitautor der Leitlinien zur Therapie gut- und bösartiger Erkrankungen der Schilddrüse.
Vielfältige und unspezifische Symptome
Erst wenn die Schilddrüse stark geschwollen oder ein Schilddrüsenknoten sehr groß ist, können mechanische Probleme entstehen, weil die Luft- oder Speiseröhre komprimiert und eingeengt werden. Diese, meist sichtbare Vergrößerung, bezeichnet man auch als Kropfbildung. Ansonsten verursachen Funktionsstörungen der Schilddrüse zwar sehr vielfältige aber unspezifische Symptome, wie z.B. Gewichtsveränderungen, Herz-Rhythmus-Störungen, vermehrtes Schwitzen, Zittrigkeit und Unruhe, Knochenschmerzen, häufige Krämpfe oder auch Depressionen, die vielerlei Ursachen haben können. „Bei anhaltenden Beschwerden sollten zunächst die Laborwerte überprüft werden, die Hinweise auf eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse geben können“, so Dr. Schabram. „In einem nächsten Schritt sollte dann per Ultraschall festgestellt werden, ob Veränderungen in der Schilddrüse vorliegen und in welchem Umfang“.
„Kalte“ und „heiße“ Knoten
Bei Knoten in der Schilddrüse unterscheidet man zwischen „kalten“ und „heißen“ Knoten. „Diese Begriffe stammen aus der Szintigraphie, einer nuklearmedizinischen Untersuchungsmethode, die misst, wie stark einzelne Bereiche der Schilddrüse Jod aufnehmen“, erklärt Dr. Schabram. „Die Nuklearmediziner injizieren den Patienten dazu jodähnliche Radionuklide, die sich in der Schilddrüse anreichern. Vermehrt speichernde Knoten sind „heiße“ Knoten, die auf eine Überfunktion hinweisen. Vermindert speichernde, „kalt“ erscheinende Bereiche deuten auf funktionsloses Gewebe, Zysten oder bösartige Tumore hin, da entartete Zellen das radioaktive Jod nicht speichern können“. Allerdings beruhigt der Experte: Selbst von den nachgewiesenen kalten Knoten sind lediglich maximal 5 Prozent bösartig. Und die meisten Betroffenen können durch eine rechtzeitige und fachgerechte Operation vollständig geheilt werden.
Diffizile Operation im Hals
Heiße Knoten, die auf eine Überfunktion hinweisen, können häufig nichtinvasiv durch eine Radio-Jod-Therapie geheilt werden. Dabei schluckt der Patient eine Kapsel mit radioaktivem Jod, das den Knoten von innen zerstrahlt. Eine Operation der Schilddrüse sollte nur von erfahrenen Experten ausgeführt werden, da der Eingriff in einem anatomisch anspruchsvollen Gebiet erfolgt, betont Dr. Schabram: „Hier verlaufen die Halsschlagader, die Drosselvene, der Stimmbandnerv und weitere Gefäße und Nerven. An der Schilddrüse liegen die Nebenschilddrüsen, die nur die Größe einer Linse haben, aber für die Steuerung des Calciumhaushaltes unseres Körpers verantwortlich sind. Werden sie verletzt, leiden Patienten in der Folge unter Missempfindungen bis hin zu bedrohlichen Muskelkrämpfen“. Eine Studie der gesetzlichen Krankenkasse AOK hat gezeigt, dass es in spezialisierten Zentren, die eine hohe Anzahl von Eingriffen pro Jahr nachweisen können, nur selten zu Komplikationen kommt. Bei einer sehr kleinen Schilddrüse oder kleinen Knoten besteht die Möglichkeit, die Schilddrüsen-OP endoskopisch und videoassistiert durchzuführen. Dabei erfolgt der Zugang z.B. über die Achselhöhle und den Brustwarzenhof. In Deutschland hat diese aufwendige Operationstechnik bisher keine weitere Verbreitung gefunden. Die beste Übersicht bietet allerdings nach wie vor die offene Methode, bei der der Operationsbereich mit einem zwei bis sechs Zentimeter langen Schnitt geöffnet wird. „Um ein bestmögliches kosmetisches Ergebnis zu erreichen, wird die Schnittführung vor der Operation, bei normaler Kopfhaltung, im Bereich einer Hautfalte markiert.“, erklärt der Schilddrüsenspezialist.
Empfindliche Strukturen überwachen und schützen
Dr. Schabram und sein Team nutzen während des Eingriffs an der Schilddrüse das sogenannte „Neuromonitoring“. Hierbei wird der entscheidende, das stimmbandversorgende Nerv und auch der Nervus Vagus (Parasympathikus), aus dem der Stimmbandnerv hervorgeht mit Hilfe einer kleinen Sonde wiederholt, oder auch kontinuierlich stimuliert, der Verlauf verfolgt und in seiner Funktion überprüft (Nervenleitgeschwindigkeit). Während des Eingriffs helfen den Spezialisten Lupenbrillen sowie ein modernes Ultraschall-Skalpell, das sichere und gewebeschonende Schnitte gewährleistet. Bei einem Verdacht auf einen bösartigen Knoten kann das Gewebe noch während der Operation durch den Pathologen beurteilt werden. Sollte sich der Verdacht bestätigen, ist meist eine vollständige Entfernung der Schilddrüse und der benachbarten Lymphknoten erforderlich.
Schnelle Genesung, hervorragende Heilungschancen
Dr. Schabram benötigt für die Operation etwa ein bis zwei Stunden: „Wir können meist auf eine Drainage verzichten, so dass der Patient bereits am Nachmittag nach dem Eingriff trinken, am Abend essen und aufstehen darf. Die einzigen Beschwerden sind in der Regel Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, die schnell vergehen. Nachdem die Stimmbänder, Laborwerte und der Hals-Nasen-Ohren-Bereich kontrolliert wurden, entlassen wir unsere Patienten bereits am zweiten Tag nach der Operation. Vierzehn Tage später kann er oder sie in den Beruf zurückkehren“. Und das mit einem guten Gefühl, wie Dr. Schabram aus Erfahrung weiß: „Zur Sicherheit folgt bei bösartigen Schilddrüsenknoten nach der Operation eine Radio-Jod-Therapie, um verstreute Krebszellen zu vernichten. Bei über 90 Prozent der Patienten der Tumorpatienten erreichen wir eine vollständige Heilung“.