Bypässe und Herzklappentherapien sind in vielen Fällen ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine möglich und besonders für Patienten mit schweren Begleiterkrankungen oder hohem Operationsrisiko geeignet.

Zu den häufigen Herzkrankheiten zählen die koronare Herzkrankheit sowie Erkrankungen der Herzklappen. Bei der koronaren Herzkrankheit sind die Herzkranzgefäße verengt, so dass es zu einer mangelhaften Durchblutung des Herzmuskels kommt. Die Folgen sind eine eingeschränkte Belastbarkeit, Schmerzen oder sogar ein Herzinfarkt. Bei Erkrankungen der Herzklappen unterscheidet man zwischen einer Stenose (Herzklappe öffnet sich nicht richtig) und einer Insuffizienz (Herzklappe schließt nicht mehr richtig). In einigen Fällen treten beide Erkrankungen auch kombiniert auf. Zu den wichtigsten Symptomen gehören Kurzatmigkeit, rasche Ermüdung und auch Schwindel. Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß ist Chefarzt der Kardiochirurgie im Albertinen-Krankenhaus in Hamburg. Das Herz- und Gefäßzentrum gehört zu den führenden norddeutschen Versorgungseinrichtungen zur Behandlung von Herz- und Gefäßerkrankungen. „Wir wenden in der Behandlung der koronaren Herzerkrankungen sowie der Klappentherapie erfolgreich Methoden an, von denen vor allem Patienten profitieren, die als inoperabel gelten oder die aufgrund ihrer schweren Begleiterkrankungen als Hochrisikopatienten eingestuft werden. Unserem erfahrenen Team ist es gelungen, durch schonende Operationstechniken in beiden Krankheitsfeldern einerseits die Belastung für die Patienten und gleichzeitig die Sterblichkeit signifikant zu senken“, so der Herzspezialist.
Koronare Bypassoperationen ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschinen
Bei Verengungen der Herzkranzgefäße werden durch Bypässe Umgehungskreisläufe angelegt. „In den meisten Herzzentren werden für die Bypässe eine Brustbeinarterie, im übrigen aber Venen, z.B. aus dem Bein, verwendet. Letztere haben den Nachteil, dass sie sich häufig innerhalb von 10 Jahren verschließen und dadurch erneut eine Durchblutungsstörung verursachen. Wir verwenden dagegen ausschließlich beide Brustwandarterien, um sämtliche Engstellen aller Herzkranzgefäße zu überbrücken, da diese arteriellen Bypässe am effektivsten und längsten offen bleiben“, erklärt Prof. Rieß. Dieses Verfahren wird als „komplett arterielle Revaskularisation“ bezeichnet. Dabei wird die linksseitige Brustwandarterie erhalten und mit ihr eingeengte oder verschlossene Koronargefäße der Vorder- und Seitenwand des Herzens versorgt. Die rechtsseitige Brustwandarterie wird zunächst präpariert, entnommen und anschließend als variabler Bypass an die linksseitige Brustwandarterie angenäht und zur Blutversorgung weiterer Engstellen von Gefäßen der Herzhinterwand verwendet. Diese Operationstechnik ist praktisch bei allen Patienten anwendbar. So führt Prof. Rieß seit mehreren Jahren über 99 Prozent seiner Bypassoperationen ausschließlich mit beiden Brustwandarterien durch. Eine weitere Besonderheit: Prof. Rieß und sein Team führen diese Operation am schlagenden Herzen aus und ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. „Der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine im Rahmen von herzchirurgischen Eingriffen kann für den Patienten zu zahlreichen Komplikationen in praktisch allen Organsystemen des Körpers führen. Ursachen können der Kontakt des Patientenblutes mit den Fremdoberflächen der Herz-Lungen-Maschine sein, die erforderliche hochdosierte Blutverdünnung sowie die Abklemmung der Hauptschlagader im Rahmen des Herzstillstandes mit potentiellen Ablösungen von Verkalkungen und daraus resultierenden Schlaganfällen. Wir dagegen stellen den benötigten Operationsbereich mit einer Plattform ruhig, die es uns ermöglicht, die Gefäßverbindungen zwischen Brustschlagaderbypass und allen Herzkranzarterien in einer sehr hohen Qualität nähen zu können. Die Abklemmung der Hauptschlagader entfällt und damit sinkt das Risiko für Schlaganfälle „, erklärt Kardiochirurg Rieß. Die großen Vorteile dieser Bypassversorgung ohne Herz-Lungen-Maschine sind neben der niedrigen Schlaganfall- und Sterberate der geringere Blutbedarf, eine geringere Infektionsrate sowie deutlich weniger Nachblutungen. Aus eben diesem Grund führt Prof. Rieß mittlerweile 98 Prozent aller koronaren Bypass-Eingriffe ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine durch.
Vorteile der rekonstruktiven Herzklappenchirurgie
„Je nach Befund der Mitralklappe kommen unterschiedliche Verfahren zur Wiederherstellung der Klappenfunktion zum Einsatz. Wenn möglich, sollte eine Rekonstruktion durchgeführt werden, was in unserer Praxis bei über 90 Prozent der Patienten gelingt. Der Vorteil ist, dass die Patienten belastbarer bleiben und in der Folge keine blutverdünnenden Medikamente einnehmen müssen, sofern ein regelmäßiger Herzrhythmus besteht. Ist die Klappe nicht zu erhalten, wird in der Regel eine biologische Klappe implantiert. Möglich sind hier auch minimalinvasive Techniken, bei denen kleinere, chirurgische Zugänge am Brustbein oder im Rippenzwischenraum notwendig sind“, so Prof. Rieß. Bei all diesen Operationen ist jedoch der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erforderlich. Soll die Herz-Lungen-Maschine vermieden werden, so gibt es für Hochrisikopatienten die Möglichkeit, am schlagenden Herzen durch ein Katheter-gestütztes Verfahren die Schließfähigkeit der Mitralklappe zu verbessern. Dabei werden mittels eines sogenannten „MitraClips“ die freien Klappenränder beider Mitralsegel zusammengeheftet und dadurch der Durchfluss durch die Mitralklappenöffnung verringert. Dieses Verfahren kommt ausschließlich bei Hochrisikopatienten zum Einsatz, die für einen konventionellen Mitralklappeneingriff zu krank sind.
Aortenklappen werden bei geeigneten Patienten minimalinvasiv, dass heißt über eine teilweise Öffnung des Brustbeins, ersetzt. Für sehr betagte, inoperable oder Hochrisiko-Patienten sei auch ein Aortenklappenersatz ohne Herz-Lungen-Maschine nach dem sogenannten TAVI-Verfahren möglich, erklärt Prof. Rieß. Dabei wird die Klappenprothese per Katheter über die Leistenarterie zum Herzen transportiert und hier im Bereich der eingeengten Aortenklappe entfaltet. Auch dieser Eingriff erfolgt am schlagenden Herzen, häufig auch nur in Lokalanästhesie beim wachen Patienten.
Geringe Belastung, verkürzte Klinikaufenthalte
„Nach Bypass- oder Herzklappenoperationen bleiben die Patienten in der Regel ein bis zwei Tage zur Beobachtung auf der Intensivstation und anschließend circa 5 bis 7 Tage auf der Normalstation. Im Anschluss daran gibt es das Angebot einer zwei bis dreiwöchigen Anschlussheilbehandlung, um den Patienten wieder Selbstvertrauen zu geben und sie wieder fit zu machen für den Alltag“, so Prof. Rieß. „Durch die modernen Behandlungsverfahren ist es uns heute möglich geworden, insbesondere Ältere und Patienten mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen sehr sicher zu operieren und den Klinikaufenthalt zu verkürzen“.