Deutschland wird immer älter und der Bedarf an stationären Pflegeplätzen steigt weiter an – nicht jeder Landkreis ist darauf vorbereitet.

Die rund 11.500 Pflegeheime in Deutschland betreiben nach aktuellen Zahlen etwa 880.000 vollstationäre Pflegeplätze – somit steht rein rechnerisch etwa für jeden zehnten Deutschen ab 75 Jahren ein stationärer Platz in einem Pflegeheim zur Verfügung. Selbstverständlich unterscheidet sich in der Realität die Anzahl der zur Verfügung stehenden Pflegeheimplätze zuweilen erheblich – in großen Städten ist die Versorgung anders als auf dem flachen Land, Ballungsgebiete und Stadtstaaten haben einen höheren Bedarf an Pflegeheimen als ein gleichgroßer Landkreis in Brandenburg.
Bestehendes Potenzial in Süddeutschland
Um all diese Faktoren zu berücksichtigen und zeitgleich eine Vergleichbarkeit herzustellen, sollte die Anzahl der Pflegeplätze pro 1.000 Einwohner ab 85 Jahren in den einzelnen Landkreisen betrachtet werden, da die Personengruppe ab 85 Jahren den größten Teil der Bewohner in Pflegeheimen stellt. Die dabei ausgemachten Versorgungsstrukturen des stationären Sektors deuten auf bestehende Potenziale in Süddeutschland hin. Hier befinden sich nicht nur die 10 Landkreise mit dem größten Bedarf an Pflegeplätzen, auch der Schnitt der südlichen Bundesländer selbst liegt unter dem errechneten Mittelwert von 561 Pflegeplätze pro 1.000 Einwohner ab 85 Jahren. „Der Bedarf an vollstationärer Pflege ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und wird in den nächsten Jahren durch den Demographiewandel und den Rückgang der häuslichen Pflege weiter steigen“, erklärt Markus Speckenbach, der Geschäftsführer der EMVIA LIVING Gruppe auf Nachfrage. Die Gruppe reagiere hierauf mit der Schaffung weiterer stationärer Pflegeeinrichtungen, deren Wohnkonzept das selbstbestimmte Wohnen im Alter und die agile Lebensführung berücksichtigt.
Die Hauptstadt Berlin zählt zu den Top 100 der am besten Versorgten Landkreise – mit 670 Plätzen pro 1.000 Einwohner ab 85 Jahren steht für mehr als jeden zweiten Einwohner in der entsprechenden Alterskategorie ein Pflegeplatz zur Verfügung.
Hochsauerlandkreis ist unterversorgt
Zwar lohnt es sich für Heimbetreiber, ihre Pflegeheime vor allem in Gegenden zu betreiben, in denen es viele Menschen – und somit viele künftige Pflegebedürftige – gibt, dennoch ist hier der Platz beschränkt und die Konkurrenz hoch. Zudem steigt der Bedarf vor allem auf dem Land immer weiter an. Zu den Landkreisen mit einem bislang unterdurchschnittlichen Pflegeangebot zählt der Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen. Dazu kostete die Einzelzimmerquote, welche dieses Jahr in dem Bundesland in Kraft trat, viele Pflegeplätze. Auch Dirk Lorscheider, Geschäftsführer West der Gruppe, weiß von den Schwierigkeiten zu berichten: „Die Einzelzimmerquote hat unser Unternehmen vor eine große Herausforderung gestellt. Als Reaktion haben wir dort in zwei unserer Pflegeeinrichtungen die Kapazitäten reduzieren müssen.“ Auch in Brandenburg gebe es viele „schwächer strukturierte Landkreise, in denen wir ebenfalls vertreten sind“, ergänzt Speckenbach.
Betrachtet man die Verteilung der Bundesländer, wird das starke Nord-Süd-Gefälle deutlich. Die Bundesländer mit den stärksten Versorgungsstrukturen im stationären Segment sind Mecklenburg-Vorpommern bei durchschnittlich 727 Pflegeplätze pro 1.000 Einwohner ab 85 Jahren und Schleswig-Holstein mit 688 Plätzen pro 1.000 Senioren. Deutlich geringer zeigt sich die Versorgungslage im Südwesten der Republik. Baden-Württemberg (499 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85) und Rheinland-Pfalz (507 Plätze je 1.000 Einwohner ab 85) bilden das unterste Spektrum.

Bedarf beeinflusst Kosten
Der unterschiedlich hohe Bedarf an Pflegeheimplätzen zeigt auch Auswirkungen bei den Gesamtkosten der einzelnen Pflegeheime. Während Pflegeheime in durchschnittlich und überdurchschnittlich versorgten Landkreisen im Schnitt Gesamtkosten von 1.620,83 Euro aufweisen, liegen die Gesamtkosten der Heime in Landkreisen mit einem hohen Pflegebedarf bei 1.894,03 Euro. Dies lässt sich unter anderem auch auf den hohen Wettbewerbsdruck in gut versorgten Landkreisen zurückführen, während in Landkreisen mit hohem Pflegebedarf die vorhandenen Pflegeheime keinem genau so hohen Wettbewerb ausgesetzt sind. Zugleich zeigt sich bei Heimen in Landkreisen mit hohem Pflegebedarf eine leicht höhere Belegungsquote (98 Prozent) als in Landkreisen mit geringerem Bedarf an Pflegeplätzen (97 Prozent).
Landkreise mit besonders geringem Pflegebedarf sind dabei Segeberg (865 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85), Osterode am Harz (863 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85) und der Landkreis Schaumburg (856 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85 Jahren). Dem gegenüber stehen die Landkreise mit hohem Bedarf: Landsberg am Lech (256 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85), München (288 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85) und Würzburg (316 Plätze pro 1.000 Einwohner ab 85). Nicht außer Acht gelassen werden darf bei dieser Betrachtung jedoch der Vorsatz „ambulant vor stationär“. So liegt der Ambulantisierungsgrad in München zum Beispiel bei 2,14 – es werden also mehr als zweimal so viele Einwohner ambulant wie stationär versorgt.
Mehr als 10.000 neue Pflegeplätze geplant
Neben einer hohen ambulanten Versorgung wird jedoch auch im Bereich der stationären Versorgung weiterhin an einem größeren Angebot gearbeitet. So befinden sich aktuell etwa 270 Pflegeheime im Bau oder in Planung, die in den nächsten zwei Jahren mehr als 10.000 Pflegeplätze schaffen sollen. Auch EMVIA LIVING wächst kräftig, um den hohen Bedarf an Pflegeplätzen auch in Zukunft decken zu können. Geschäftsführer Speckenbach: „Wir freuen uns, dass 17 neue Einrichtungen in Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen entstehen und unser Portfolio erweitern. An den Standorten in Lübbecke (Nordrhein-Westfalen), Kaltenkirchen (Schleswig-Holstein) und Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) sind die Bauarbeiten bereits in vollem Gang. Die erste Eröffnung wird es voraussichtlich im Mai 2019 geben. In Kürze starten die Aktivitäten auf den Baustellen in Wolfsburg und Beverstedt (beide Niedersachsen), Espelkamp (Nordrhein-Westfalen) und Bremen.“